Markus, Rhea und Michael, Mitarbeiter, Co-Leiterin und Hausverantwortlicher. Drei Karrieren, drei Funktionen, ein Ziel: Das Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner in der WG Biber. Die Geschichte einer erfolgreichen Zusammenarbeit über die Hierarchiestufen hinweg.
Sie wirken, als würde sie so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Rhea und Markus strahlen Gelassenheit aus – und ja, auch Zufriedenheit. Die beiden spielen sich im Gespräch den Ball zu, wie es Menschen tun, die wissen, dass auf den anderen Verlass ist. «Wir sind krisenerprobt», so Rhea. Sie sagt es lachend, was zeigt, dass diese «Krise» – sie setzt das Wort in Anführungszeichen – durchaus ihr Gutes hatte. Wir befinden uns im neuen Haus 40, dritter Stock, WG Biber. Auf der einen Seite Biber Blau, auf der anderen Biber Orange: je acht Einzelzimmer, je eine grosse Wohnküche mit Terrasse, je ein Wohnzimmer. Rhea Sigel, Co-Leiterin der WG, führt mich vom Büro Blau über die Küche Orange in ein unbewohntes Zimmer, wo wir in Ruhe reden können.
Rhea, Co-Leiterin WG Biber
«Hier zieht demnächst ein neuer Bewohner ein. Er wird mit achtzehn Jahren unser jüngster sein», erklärt Rhea. «Aktuell leben fünfzehn Menschen zwischen28 und 80 Jahren hier.» Markus hat sich zu uns gesetzt und ergänzt, die Gruppe sei auch bezüglich Betreuungsbedarf gemischt: Einige benötigten Pflege, andere seien selbständig unterwegs. Mir scheint, die beiden würden lieber über ihre Bewohnerinnen und Bewohner sprechen als über sich selbst. Aber für einmal geht es um diejenigen, die hier arbeiten. Doch wann und wie sind Rhea und Markus eigentlich in den Wagerenhof gekommen? «Das war vor 23 Jahren», sagt Rhea versonnen lächelnd. «Ich arbeitete in einem Akutspital, wollte eine Veränderung und stiess auf diese Stelle im Wagerenhof.
Vor meiner Ausbildung hatte ich ein Praktikum in der Stiftung zur Palme gemacht, das Thema war mir also nicht ganz unbekannt.» Die diplomierte Pflegefachfrau wurde in die damalige «Aufnahmegruppe» eingeteilt, eine erste Station für neu eintretende Bewohnerinnen und Bewohner. Von da wechselte Rhea in eine Gruppe für Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf und schliesslich in eine gemischte WG, wo sie stellvertretende Leiterin wurde. «2006 kam meine Tochter zur Welt und ich reduzierte mein Pensum auf 40 %.» Dank dieser Möglichkeit habe sie auch als Mutter berufstätig bleiben können, erzählt die heute 46-Jährige, deren Karriere typisch ist für den Wagerenhof.
Markus Erb bezeichnet sich als Quereinsteiger. Ursprünglich in der Möbelbranche tätig, liebäugelte er mit Arbeitsagogik. Nach einem halbjährigen Praktikum im «Atelier Holz» des Wagerenhofs war ihm klar, dass er bleiben wollte. Nur: In der Werkstatt war keine Stelle frei. «Also startete ich auf einer Wohngruppe ein zweites Praktikum. Nach zwei Monaten wurde es in eine normale Arbeitsstelle umgewandelt und ich wusste, dass ich Fachmann Betreuung werden würde», erzählt Markus. Dass er, der eigentlich gerne allein sei, sich für einen sozialen Beruf begeisterte, habe ihn selber überrascht.
Aufgrund seiner Praxis im Wagerenhof konnte er eine verkürzte FaBe-Lehre absolvieren. Im Sommer 2022 schloss Markus mit 37 Jahren seine Ausbildung erfolgreich ab und übernimmt bereits Spezialaufgaben: «Zusammen mit den Verantwortlichen der anderen WGs in unserem Haus entwickeln wir basale Tagesstrukturangebote für Menschen mit grossem Unterstützungsbedarf», erklärt er. «Im Biber werden wir künftig zudem ‹Kafi & Klatsch› anbieten: einen Nachmittag mit Kuchen und Spielen, offen für alle Bewohnerinnen und Bewohnern unseres Hausverbundes.»
Mit Letzterem meint Markus das Haus 40, welches fünf grosse Wohngruppen beherbergt. Wie alle Hausverbunde im Wagerenhof wird es von je einer Person mit betrieblicher, agogischer und pflegerischer Verantwortung geführt: den sogenannten «drei Herzen». Sie unterstützen die Co-Leitungsteams in ihren Führungsaufgaben und stehen ihnen für fachliche Anliegen zur Verfügung. «Mein Co-Leiter und ich pflegen einen regelmässigen Austausch mit den Hausverantwortlichen», sagt Rhea. «Sie haben eine grosse Entscheidungskompetenz, dadurch sind die Wege kürzer geworden.» Den Bewohnerinnen und Bewohnern kommt dies sehr zugute. Besonders, dass Agogik und Pflege nun noch enger zusammenarbeiten. Das bestätigt auch Michael Kother: Als betrieblicher Hausverantwortlicher ist er das «grüne Herz» von Haus 40. Er bringt die Vorteile des Modells auf einen kurzen Nenner: «Drei Köpfe sind schlauer als einer». Er könne sich auf personelle, finanzielle und logistische Themen fokussieren und sich darauf verlassen, dass agogische und pflegerische Fragen anderweitig gut aufgehoben seien. «Dies hat auch für die Angehörigen Vorteile, da sie für jedes Anliegen ein versiertes, verantwortliches Gegenüber haben.» Der Heilerziehungspfleger mit Ausbildungen in Coaching und
Organisationsentwicklung sieht seinen Job darin, zu begleiten, zu unterstützen und bei Bedarf zu entscheiden: «Führen ist dienen, nicht herrschen.»
Für die Teams bietet das Modell Sicherheit: «Von der Co-Leitung ist gefühlt immer jemand da. Und wenn nötig, können wir auch jemanden von den drei Herzen direkt ansprechen», sagt Markus. Rhea nennt einen weiteren grossen Vorteil: «Im Hausverbund ist die Steuerung der Personalressourcen einfacher. Wir helfen uns gegenseitig aus.» Und wie war das jetzt mit «krisenerprobt»? Rhea lacht. «Damals im Juni 2021 nach dem Zügeln, die ersten zwei Wochen im Biber: neue Räume, neu zusammengesetzte WG, neues Team. Da mussten wir ziemlich improvisieren, nicht wahr, Markus?» Dieser nickt. «In kritischen Situationen zeigt sich, wer welche Stärken hat. Nebst der Grösse des Wagerenhofs ist dies für mich eigentlich das Schönste: Zu wissen, dass wir als Team auch Schwieriges gut bewältigen.»
Im Wagerenhof arbeiten rund 650 Menschen in 36 Berufsgruppen. Mit unserer spezifischen Qualifikation sind wir in verschiedenen Bereichen tätig. Unsere Grundhaltung ist geprägt von Wertschätzung für die uns anvertrauten Menschen. Dabei behandeln wir alle gleichwertig und begegnen ihnen auf Augenhöhe. Alle unsere Angebote richten wir konsequent auf ihren individuellen Bedarf aus. Folgendes schätzen wir in unserem Alltag für den Wagerenhof:
… und einiges mehr.