Fern von jeder Hektik bieten wir auf der Strahlegg im Zürcher Oberland den idealen Ort für Menschen, die ein Umfeld ohne Zivilisationsreize benötigen. Zwölf Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung leben im Wohnhaus. Fünf bis sechs Mitarbeitende helfen auf dem Bauernhof oder in der Hauswirtschaft mit – an geschützten Arbeitsplätzen.
Housi Suter, Betriebsleiter Strahlegg
Liam hat’s im Griff. Er weiss, wann und wie die Hühner zu füttern sind, damit sie gesund bleiben, er kennt den Bewegungsbedarf der Esel und wenn Sturm angesagt ist, denkt er als Erster daran, die Geissen in den Stallzu holen. Liam lebt mit einer geistigen Beeinträchtigung. Als er im März dieses Jahres von einer Institution im Unterland ins Bärloch zog, war ungewiss, ob er hier, hoch oben auf der Strahlegg, Fuss fassen würde. Der Wechsel entpuppte sich als Glücksfall: Nach knapp vier Monaten wird Liam als tatkräftiger Mitarbeiter des Bauernhofes hochgeschätzt. «Er ist engagiert, denkt mit und kann seine Fähigkeiten voll zum Tragen bringen», sagt Betriebsleiter Housi Suter über den jungen Mann.
Ruhiger Tagesablauf auf über 1000 Meter
Der Sozialpädagoge und Landwirt Suter trägt die Verantwortung für den gesamten Betrieb «Wagerenhof Strahlegg», den die Stiftung am Fusse des Schnebelhorns für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung eingerichtet hat. Dazu gehören nebst dem Landwirtschaftsbetrieb Bärloch ein Wohnheim mit zwölf Plätzen sowie das kleine ehemalige Schulhaus. Das Projekt, Anfang 2021 gestartet, wurde primär für Menschen lanciert, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung – etwa einer Autismus-Spektrum-Störung – eine Umgebung mit wenig Zivilisationsreizen schätzen. Im ruhigen Weiler Strahlegg ist auf 1054 m ü. M. ein klar strukturierter, gemächlicher Tagesablauf im Einklang mit der Natur möglich.
Betreute Jobs in Haus und Hof
Das Wohnhaus ist voll belegt, während es bei den geschützten Arbeitsplätzen aktuell offene Stellen gibt. Die sogenannten Werkstätterinnen und Werkstätter, zu denen auch Liam gehört, erbringen eine produktive Leistung und werden dafür entlöhnt. «Bei einem 100 %-Pensum bewegt sich der Lohn zwischen 350 und 750 Franken», erklärt Housi Suter, «die meisten arbeiten jedoch in einem Teilzeitpensum.» Aktuell könnten noch drei bis vier weitere Personen eingestellt und auf dem Bauernhof oder in der Hauswirtschaft beschäftigt werden. Die Werkstätterinnen und Werkstätter werden von qualifizierten Fachpersonen angeleitet und in ihren Kompetenzen individuell und gezielt gefördert. Zum Landwirtschaftsbetrieb gehören 9 ha landwirtschaftliche Nutzfläche sowie 3 ha Wald, Esel, Ziegen, Hühner, temporär auch Rinder, zudem Gemüsebeete und ein grosser Kräutergarten. Hier werden Küchen- und Teekräuter für den Eigenbedarf und den Verkauf angebaut und neuerdings auch Duftessenzen produziert. Wer in der Hauswirtschaft arbeitet, kümmert sich nebst den täglichen Haushaltsarbeiten auch um typisch bäuerliche Aufgaben wie etwa das Verarbeiten von Beeren, Früchten und Obst.
Wohnen mit oder ohne Betreuung
Liam wohnt im Bauernhof Bärloch, wo auch zwei Fachmitarbeitende leben, beide mit sozialpädagogischer Ausbildung. Wer noch autonomer wohnen möchte und kann, findet in der ehemaligen Lehrerwohnung im Schulhaus gemütliche Einzelzimmer. Diese Form des assistierten Wohnens ist geeignet für Personen, die über grosse Selbständigkeit verfügen. Zur Arbeit zu pendeln, ist ebenfalls möglich. Je nachdem, wie mobil eine Person ist und ob sie allenfalls über ein eigenes Auto verfügt. Liam verbringt seine Freizeit gerne in der vertrauten Gemeinschaft. Es kommt aber auch vor, dass er lieber allein ist. Dann unternimmt er zusammen mit dem Ziegenbock einen Spaziergang und geniesst
die prächtige Natur.
Bericht im Teletop (Juli 2022) über die Strahlegg.
Redaktionelle Bearbeitung: Veronika Sutter